Lesung
Donnerstag, den 19.11. 2015,
von 19.00 bis 21.00


Im Rahmen des 7. Düsseldorfer Lesefests liest
die Düsseldorfer Autorengruppe „Schreibzeiten“ für Sie aus ihrer neuesten Anthologie „Dem Neuen entgegen leben“. Cafe´ Decker bietet für die autobiografischen Texte eine angenehme Umgebung, um den prägenden Spuren des 2. Weltkrieges und der Nachkriegszeit nachzugehen. Anschließend haben Sie Gelegenheit, mit den Zeitzeugen über den „Nachhall des Krieges" ins Gespräch zu kommen.

Cafe´Decker, Geibelstr. 76, 40235 Düsseldorf - Grafenberg




christa anderski am 07.Nov 15  |  Permalink
Brief an Heinrich Heine
Lieber Harry,

gestern war ich in der Ausstellung „Salonfähig- Frauen in der Heine Zeit“. Sie hat mir die Augen geöffnet über dich und deine Beziehung zu Frauen. Ich muss schon sagen, deine Briefe, in denen du dich über Frauen auslässt, haben mich ganz schön vom Hocker gerissen.
Ich habe dich unterscheiden sehen zwischen den Geliebten, den Frauen der Familie und den schöngeistigen, intellektuellen Frauen.

Mit deinen Geliebten hast du wohl zumeist intensiv und kurzfristig der Liebe und Leidenschaft gefrönt. Aber manchmal hat es nicht geklappt. So hast du aus der verschmähten Liebe zu Amalie dein berühmtes Buch der Lieder geschrieben.
Ganz anders ist deine Beziehung zu den Frauen deiner Familie. Sie hat mich berührt, spricht doch aus ihr deine intensive und lebenslang bestehende innige Bindung zu ihnen. Deine Mutter, die dir schon früh den Dichter ausreden wollte und sich bis an ihr Lebensende um dich sorgte. Über sie fand ich in einer Schublade den Brieftext: „ Und Du alte süße Katze, wie geht es Dir? Wenn Du stirbst, ehe ich Dich wiedersehe, schieße ich mich todt.“ Wieder einmal konntest du deinen bissigen Humor nicht zurückhalten. Auch wenn du über deine Schwester schreibst: „ .. unser Gespräch endigt immer damit, daß ich ihr meine Zunge zeigen muß“, schimmert doch die Offenheit und die Vertrautheit zwischen euch hindurch.

Die Wahl deiner Ehefrau hat mich sehr verwundert. Du, der du ein angesehener, aber oft angefeindeter Dichter bist, hast dir eine sehr junge Französin erwählt, die auf Grund ihrer Stellung als alleinstehende, berufstätige Frau einen eher zweifelhaften Ruf in der Gesellschaft besitzt. Außerdem ist Mathilde des Lesens und Schreibens nicht mächtig und kann sich nicht mit dir in Deutsch unterhalten. Dir scheint es zu genügen, dass sie „ein kreuzbraves, ehrliches, gutes Geschöpf war, ohne Falsch und Böswilligkeit.“ Du beschreibst, dass sie von üppiger Schönheit, mit einem "herrlich dicken Hintern" und dass ihr Temperament sehr ungestüm und launisch ist. „Sie irritirt mich manchmal mehr als mir heilsam ist.“ Dennoch -so sagt man- sorgst du dich sehr um ihre finanzielle Absicherung, auch nach deinem Tod. Mathilde scheint nicht realisiert zu haben, dass du ein großer Dichter bist, sondern sie liebt dich als Mensch und streitet sich somit auch ehrlich und heftig mit dir. Eine Frau, die dir geistig ebenbürtig ist, war dir wohl zu gefährlich zu heiraten? Lieber eine Frau, die du formen und bilden kannst nach deinen Vorstellungen, soweit es geht und sie es will.

Bei deiner Einstellung zur dritten Gruppe stieg große Empörung in mir auf. Wie du über die intellektuellen, fortschrittlichen Frauen denkst, ist eine Schande! Mit ihnen hast du zwar regen geistigen Kontakt, nimmst ihre Verehrung und Förderung für dich gerne an, aber selbst stehst du ihren Zielen, Forderungen und ihrem Verhalten ambivalent gegenüber. Wie ist sonst die Textstelle in deinem Brief zu erklären? Du schreibst da: „Ja, die Weiber sind gefährlich. Aber ich muß doch die Bemerkung machen, daß die schönen lange nicht so gefährlich sind wie die häßlichen. Denn jene sind gewohnt, daß man ihnen Cour mache, letztere aber machen jedem Manne die Cour und gewinnen dadurch einen mächtigen Anhang. Namentlich ist dies in der Literatur der Fall." (De Staël-Kritik, 1844)
Oder dein sarkastischer Erguss an Vanhargen zu Ense: „Einer schönen Frau zu schreiben erscheint mir ebenso töricht, als wenn ich mit einer Straßburger Pastete in Korrespondenz treten wollte. Jedes Ding in der Welt will auf seine eigene Weise genossen werden.“
Als ich das las, wäre ich dir am liebsten ins Gesicht gesprungen! Aber du hast Glück, dass so viele Kilometer zwischen uns liegen.
Hinsichtlich uns Frauen bist du ganz schön geprägt von dem Geist deiner Zeit, was ich weder verstehe noch billige. Auf dem politischen Sektor bist du doch so fortschrittlich und weit vorausschauend! Aber was uns anbelangt, spüre ich keinerlei Verständnis für unsere Bestrebungen der Emanzipation bei dir. Ich rieche nur den alten Mief und sehe wieder die uralten Erwartungen und Einstellungen der Männer uns Frauen gegenüber aufblitzen. Eine Frau ist unmündig, vom Manne abhängig, emotional, unselbständig im Denken und Handeln. Sie ist dem Manne untertan und muß ihm zu Willen sein.

Mein lieber Harry, ich freue mich auf unser nächstes Treffen. Dann werde ich dir gründlich den Kopf waschen! Du hast noch vieles über uns zu lernen!

In freudiger Erwartung
Christa

christa anderski am 11.Nov 15  |  Permalink
ewige spuren?
krieg fand
ein ende

doch in uns
ist er endlos

atem bebt
noch immer

zersplitternd
das einst und jetzt

doch ein engel
streut hoffnung
in uns