Einschränkung
Was körperliche Einschränkung betrifft, habe ich es noch nie so stark empfunden wie zur Zeit. Zwei gesunde Arme, die das ausführen, was mir gerade durch den Kopf geht – und das auch noch blitzschnell. Das geht im Moment gar nicht. Und dabei hatte ich mein Leben doch gerade so gut im Griff! Trotz Corona ging es mir erstmal gut. Das Wetter war super und ich viel spazieren an der frischen Luft, mal ganz auf mich zurückgeworfen. Hatte Zeit zum Lesen und konnte in Ruhe über alles nachdenken, auch über mich. Mir war passiert, was allen passiert war. Kein Sport, keine Hausaufgabenbetreuung, keine Leseschule, kein Schreibkurs, keine Feste, keine kulturellen Aktionen, aber auch leider keine Familientreffen, keine Reisen. Ich war nicht Schuld an der Situation und im Gegensatz zu anderen Menschen hatte ich keine Existenzsorgen. Die Rente kam pünktlich, die Wohnung war warm und das Telefon verband mich mit dem Rest der Welt. Ich war guter Dinge und stolz, dass ich mit der Situation so gut zurecht kam.
Da schlug das Schicksal zu. Auf einem schönen Spaziergang knickte ich um und fiel ungeschützt auf meine rechte Schulter. Es krachte, und sofort wusste ich, da ist was kaputt gegangen. Im Vierfüßlerstand auf die Beine und wieder hoch. Der rechte Arm hing teilnahmslos an mir herunter. Ich schaffte es noch bis nach Hause. Aber am Nachmittag wurden die Schmerzen so stark, dass ich den Notarzt anrief. Von 15.00 bis nachts um 22.00 Uhr verbrachte ich dann eine unangenehme Zeit in der Notaufnahme. Der Schock kam verspätet. Ich zitterte am ganzen Körper und ein mitleidiger Helfer warf ein Laken über mich. Nach zweimaligem Röntgen stellte die Wissenschaft dann fest: der Arm war ausgekugelt. Hätte ich schon vorher sagen können. Leider waren außerdem zwei Knochen abgesplittert, was meine Lage nicht gerade verbesserte. Unter Narkose „das können Sie sonst nicht aushalten!“ wurde der Arm eingerenkt. Heute sind sechs Wochen vergangen und ich muss noch immer Tag und Nacht eine sperrige Orthese tragen. Und ohne starke Schmerzmittel geht gar nichts.
Ansonsten mache ich jetzt einfach alles mit links. Naja, einfach! Schon allein der Toilettengang ist eine Herausforderung. Und dazu die Schmerzen! Aber ich hatte auch viel Glück. In der ersten Woche hat mein Neffe bei mir gewohnt und mich betreut. Was hätte ich ohne ihn nur gemacht? Aber der Mensch kann viel, wenn der sich Mühe gibt. Und ich habe mir Mühe gegeben. Dennoch, ich bin körperlich und psychisch erschöpft. Es wird wohl noch etwas dauern, bis ich wieder voll funktionsfähig bin.
Mein Fazit: Einschränkungen können das Leben von einem Tag auf den anderen grundlegend verändern.
Monika Kristen
erny hildebrand am 11. September 20
|
Permalink
|
0 Kommentare
|
kommentieren