Bitte Abstand halten
Bisher lebten wir im Lockdown und hatten uns einigermaßen darin eingerichtet.
War es anfangs befremdlich eine Maske anzuziehen, sobald wir ein Geschäft, den Vorraum von Geldautomaten oder öffentliche Räume betraten, wurde es uns bald zur Gewohnheit stets eine solche bereit zu haben. Draußen mieden wir volle Parks und versuchten unsere Spaziergänge und Wanderungen an unbekanntere Orte zu verlegen. Wir wählten Wege, die nicht so frequentiert waren und gingen zu Zeiten, in denen üblicherweise kaum jemand unterwegs war.
Einkaufen gingen wir auf Wunsch unserer Tochter nicht, die das für uns erledigte.
Unsere Freunde und Familie kontaktierten wir über Telefon, WhatsApp, Emails oder Video.
Mit der Zeit beobachtete ich bei mir, eine gewisse Menschenscheu. Es wurde mir unbehaglich zu Mute, wenn ich auf Waldwegen oder auf der Straße mehrere Leute meist Familiengruppen sah. Eine nie gekannte Feindseligkeit stellte sich bei mir ein, wenn ich glaubte, sie würden nicht genug Abstand zu uns halten. Dafür schämte ich mich insgeheim, und versuchte meine Empfindungen zu unterdrücken. Andrerseits wäre ich zu gerne wieder selber einkaufen gegangen, denn es war ungewohnt für mich, eine Einkaufsliste zu erstellen, da ich sonst immer impulsiv nach dem, was ich gerade sehe meine Kaufentscheidung treffe.
Aber wie gesagt, hatten wir uns an all das gewöhnt und fanden, dass es für uns persönlich keinen Grund zur Klage gab.
Wir waren darüber hinaus, diese Maßnahmen zu hinterfragen. Wir hatten viele Verschwörungstheorien oder die unterschiedlichen Ansichten von Virologen, Ärzten und Wissenschaftlern per Video, in den Nachrichten und in der ZEIT gehört und gelesen. Wir waren zu dem Schluss gekommen, uns so gut wie möglich an die Vorschriften zu halten. Auch wenn uns manches hart erscheint, zum Beispiel die Besuchsverbote bei dementen und schwerkranken Familienmitgliedern. Wir haben einige Fälle im Freundeskreis erlebt und mitgelitten.
Jetzt also die Lockerungen in einigen Bereichen. Sie kam just zu der Zeit, zu der wir unser alljährliches Familientreffen in der Pfalz geplant hatten. In der Woche mit dem langen Wochenende durch Himmelfahrt.
Damit hatten wir gar nicht mehr gerechnet und uns schon damit abgefunden, es auf nächstes Jahr zu verschieben. Da wir uns Üblicherweise mit Geschwistern, unseren und deren Kindern und Enkelkindern in einer Gruppe von ca. zwanzig Personen treffen, istveine gute Planung mit Resevierung von Ferienhäusern, Appartements sowie Tischreservierung in Restaurants erforderlich.
All das hatte schon vor dem Auftreten der Pandemie ein Jahr im Voraus stattgefunden. Gerade hatten wir erwogen alles zu stornieren.
Nun wurden die Karten neu gemischt.
Aber eine solch große Gruppe, wäre das möglich?
Es hieß, nur zwei Familienstände dürften an einem Tisch Platz nehmen. Die Tische müssten mindestens 1,5 Meter Abstand haben und ob die Hütten des Pfälzer Waldvereins, in denen wir mittags immer einkehrten, geöffnet hätten, war sehr unwahrscheinlich.
Nach vielen WhatsApps hin und her stand fest, dass nicht alle aus der Großfamilie mitführen. Die Familien mit den kleinen Kindern wollten lieber zuhause bleiben. Sie meinten, es fühle sich für sie falsch an, mit so vielen zu verreisen, obwohl Kindergärten noch geschlossen hätten. Aber sie hätten nichts dagegen, wenn wir anderen die Gelegenheit nützten.
Schließlich waren wir insgesamt elf Personen in fünf Hausständen.
Logistisch hatten wir noch einiges zu regeln, bis alles in Ordnung war.
Meine Tochter Silke mit drei Kindern und Ehemann bezogen ein Ferienhaus. Mein Mann und ich, sein Bruder nebst Frau, seine alleinstehende Schwester, sein alleinstehender Bruder hatten vier Appartements in einem anderen Haus gemietet. In den Restaurants konnten wir mit jeweils drei Personen aus zwei Hausständen an Nachbartischen sitzen. Die fünfköpfige Famile meiner Tochter hatten zusammen einen Tisch in Sichtweite.
Tagsüber im Wald wanderten wir alle gemeinsam, den Abstand mehr oder weniger einhaltend. Die Hütten waren zwar geschlossen, aber ein Picknick ist auch eine schöne Sache.
Obwohl dieses Mal alles ganz anders war, als die Jahre davor, konnten wir die Zeit in der Pfalz genießen. Wir waren froh, mal aus dem täglichen Trott heraus zu kommen und etwas anderes zu sehen. Zwar entfielen die großen gemeinsamen Frühstücke, das Herumtollen von kleinen und großen Cousins und Cousinen, das selbstverständliche Zusammensein innerhalb der Großfamilie, die Gespräche und Neckereien, aber eines war doch wie immer.
Die schöne Landschaft mit dem Blick von den Pfälzer Bergen in die weite Rheinebene,mit den in frischem grünen Laub stehenden Weinfeldern im Vordergrund. Die in weiter Ferne im dunkelblauen Dunst des Horizonts sich abzeichnenden Höhenzüge des Schwarzwaldes, der Bergstraße und des Kraichgaus erstreckten sich vor uns, wenn immer sich eine Aussicht ergab.
An Waldbächen mit bemoosten Steinen und von Kindern, aus Ästen gebauten Staudämmen vorbei, führten die Wege. Die Vögel zwitscherten, was das Zeug hielt und verlaufen haben wir uns auch. Zur großen Freude unserer Enkels führte das zu einem abenteuerlichen Aufstieg eines steilen Hügels. Über Stock und Stein, über gefallene Baumstämme kletterten wir, um den Weg wieder zufinden, der in die richtige Richtung ging.
Abends im Restaurant mussten wir unsere Namen, Adressen und Telefonnummern angeben, unsere Hände desinfizieren.Danach wurden wir maskiert von maskierten KellnerInnen zu unseren Tischen geleitet. Dort durften wir unsere Masken abziehen, solange wir am Tisch blieben. Der Gang zur Toilette war wieder mit Maske zurückzulegen.
Das ganze entbehrte nicht einer gewissen Komik. Besonders als meine Tochter mit Familie geschlossen,alle mit Maske, vor unserem Tisch standen, um sich zu verabschieden, da sie schon mit dem Essen fertig waren. Davon habe ich ein Erinnerungsfoto gemacht, damit wir es nicht vergessen, wenn später wieder alles normal wird.
Aber wann wird das sein?
Wird es jemals wieder so wie vorher?

Corona
Als Krone
Der Schöpfung verstand
Die Menschenheit sich lange
Wieso?




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