Sonntag, 7. November 2021
Der Pflaumenkern
Mit 13 war ich zum ersten Mal in England. Da ich aus Eitelkeit keine Brille trug, hatte ich einige Schwierigkeiten mich zurecht zu finden. Aber meine Gastgeber hatten vieles für mich organisiert und bald fühlte ich mich bei Ihnen sehr wohl.

An einem Wochenende brachten sie mich zu einer befreundeten Familie in der Nähe von Salesbury. Zwei Erlebnisse sind mir dabei bis heute in Erinnerung geblieben:

Mir zur Ehre gab es ein besonderes Essen, bei dem auch Freunde der Familie eingeladen waren. Einer der Gäste fragte aus welchem Land ich käme. Als er erfuhr, dass ich Deutsche bin, stand er abrupt auf und verließ den Raum. Ich war sehr erschrocken und den Gastgebern war es sehr unangenehm. Man erklärte mir, dass dieser Mann bei einem Luftangriff der Deutschen auf London seine gesamte Familie verloren hatte.

Es war dies die erste und einzige offene Ablehnung, die ich in England erlebte. Aber unterschwellig war schon gelegentlich etwas davon zu merken. Der Krieg war ja grade erstmal 11 Jahre vorbei.

Nach dem Essen wurde mit den etwa zehn Gästen eine Hausführung gemacht. Beim Verlassen des Esszimmers entdeckte ich eine Schale mit großen blauen Pflaumen. Heimlich nahm ich mir eine und steckte sie schnell in den Mund. Sie war wunderbar saftig!

Nun wollte ich aber gern den Pflaumenkern los werden. Als wir in einen Wintergarten mit offenen Fenstern zum Garten kamen, hielt ich die Gelegenheit für günstig. Ich ließ mich unauffällig ans Ende der Gruppe fallen, blies die Backen auf und spuckte den Pflaumenkern in hohem Bogen durchs Fenster in den Garten. Dachte ich! Es gab einen lauten Knall, alles drehte sich um und sah, wie der Pflaumenkern langsam an der Fensterscheibe herunterrutschte. Ich aber stand mit rotem Kopf da. Es war eine der peinlichsten Situationen in meinem Leben.

Ja, mit Brille wär das nicht passiert!



Dienstag, 5. Mai 2020
Elfchen von Rita Bauer
Einsamkeit
ist meins
für mich jetzt
wann kommt ungezwungene Frölichkeit
zuück


Grosser
schwarzer Kasten
du schlägst in
Zähne er schreit laut
Töne ???



Sonntag, 5. April 2020
Corona
Ein Virus jagt rasant um die Welt
und auch wenn es uns nicht gefällt,
es wird uns mit Kranken und Toten beehren,
bestimmt nicht nur leere Regale bescheren.

Aus China kommt der ungebetene Erreger,
entpuppt sich schnell als Straßenfeger.
In Folge, Ausgangssperre und Isolation,
China und Italien kennen das schon.

Panik und Ängste machen sich breit
und die Dummheit ist wieder bereit
sich von ihrer besten Seite zu zeigen,
um reale Gefahr zu verschweigen.

Toilettenpapier scheint das größte Problem,
man kann es im Grunde nicht verstehen.
Vor Geschäften bilden sich lange Schlangen,
die alle um ihr Klopapier bangen.

Viele sind sich nicht darüber im Klaren,
wie wichtig es ist Distanz zu wahren.
Um es dem Virus zu erschweren
sich ungebremst weiter zu vermehren.

Die Politiker schwafeln, hilflos wie immer
haben von Prävention überhaupt keinen Schimmer.
Bereits am Limit ist ein jedes Krankenhaus
hier geht den wahren Helden die Puste aus.

Sogar die Wirtschaft meldet sich zu Wort.
Sie schreit nach Geld und das sofort.
Eine Vielzahl Verlierer wird es geben,
manche zahlen sogar mit ihrem Leben.

So bleibt zu hoffen, das die Menschen verstehen,
dies zu bewältigen kann nur gemeinsam gehen.
Egoismus und Dummheit werden nichts retten,
auch wenn die Egoisten das gerne hätten.






By Andreas Loose



Sonntag, 7. April 2019
Männer!
Mordillo
Mordillo (https://cdn03.plentymarkets.com/cfugbtln6xm7/item/images/98823/middle/0103-7350210.jpg)

Gestern war ich mit meiner Männerriege bei mir zu Hause. Wir wollten zum letzten Mal unsere Männerpyramide trainieren, bevor wir sie am Sonntag beim Wettbewerb der hiesigen Turnvereine vorführen würden. Zum Aufwärmen tranken wir ein bisschen Bier. Dann sollte es losgehen mit dem Training. Aber Oskar, unser Untermann, war nicht im Wohnzimmer. „Oskar!“: schrien wir durch die Wohnung. „Oskar, komm, wir brauchen dich!“ Kein Oskar ließ sich blicken. „Oskar, beeil dich, wir wollen anfangen!“ Nichts rührte sich. Wir schauten uns befremdet an. Plötzlich schlug sich Theobald vor die Stirn. „Oh nein! Oskar liegt doch mit Grippe im Bett, er hatte mich doch noch kurz vor unserem Treffen angerufen!“
Da war guter Rat teuer, denn ohne Oskar ging nichts. Einige von uns fielen lautstark über Theo her, andere wollten ihre Verzweiflung im Bier ertränken. In dieses Chaos ertönte der Ruf meiner Frau aus der Küche: „Wann seid ihr fertig? Soll ich schon das Essen auf den Herd stellen?“
In dem Augenblick durchzuckte mich eine Erleuchtung. Meine Frau! Das war die Lösung! Sie stemmte so vieles, da wird sie uns doch auch noch stemmen können! Ich winkte meinen Leuten und wir düsten in die Küche. „Emma, wir bauen unsere Pyramide bei dir in der Küche auf. Emma, du musst uns eben mal helfen! Du brauchst uns nur mal kurz zu stemmen. Das bisschen Haushalt kannst du ja nebenbei machen.“
Meine Frau streckte wortlos ihren rechten Arm aus und wir elf Mann kletterten an ihr hoch und bildeten unsere Formationen. Es klappte vorzüglich, bis mein Kleiner, der in der Küche im Kinderwagen lag, anfing zu schreien. Es war nicht zum Aushalten! Meine drei oberen Mannen begannen zu schwanken. „Emma, sorge sofort dafür, dass der Kleine still ist!“ schrie ich wütend meiner Frau zu. Ohne ein Wort hob sie, weiter bügelnd, ihr rechtes Bein und schaukelte damit den Kinderwagen. Mein Kleiner beruhigte sich. Nun schaffte ich es, auf die Spitze der Pyramide zu klettern. Dort entrollte ich die rote Fahne mit dem weißen Herz. Ich winkte meiner Frau zu und stimmte unser Lied an: „Wir Männer sind die besten und stärksten Wesen auf der ganzen Welt!“ Wir sangen aus vollster Kehle und mit tiefster Inbrunst.
Meine Frau fing an zu zittern. Wir kamen ins Schwanken. Theobald, der als erster zu Boden fiel, rief fassungslos: „Ich glaube, deine Frau lacht!“

Christa Anderski



Mittwoch, 9. März 2016
Eigensinn
Von Rita Dietrich

Die Welt war für mich in Ordnung. Ich saß am Sonntagnachmittag auf unserer Terrasse, die Füße in einer Schüssel mit warmem Wasser, ein Buch auf den Knien, die Sonne schien, Frieden total.
Ein Ball flog übers Garagendach in unseren Garten. Ich kannte den Ball und wusste, was kommt. Es kam, in Gestalt von Franz, dem pubertierenden Nachbarsjungen. Er erschien auf dem Flachdach unserer Garage, sah mich und rief – natürlich ohne zu grüßen – wie immer: „Kann ich den Ball wiederhaben?“ Ich trocknete meine Füße ab, lief durch den halben Garten, holte den Ball und warf ihn Franz zu. Ein „DANKE“ gab’s von ihm nicht.
Er verschwand und ich hörte ihn nebenan den Ball auf die Platten knallen, in eintönigem Rhythmus. Das kann seinen Eltern nicht gefallen, dachte ich. Dann flog der Ball zigmal in die Höhe – und wie vermutet – erneut zu uns rüber. Es dauerte nicht lange, Franz erschien und sagte seinen obligatorischen Satz: „Kann ich den Ball wiederhaben?“ Widerwillig stand ich auf und durchquerte barfuß einige Beete, um den Ball zu suchen. Franz verzog keine Miene. Vielleicht dachte er „die werde ich so den Sonntagnachmittag beschäftigen“. – „Damit Du nicht in ein paar Minuten wieder auf eure und dann auf unsere Garage klettern musst, spielst Du am Besten auf dem Bolzplatz gegenüber“, riet ich ihm. Er reagierte in keiner Weise. Ich warf ihm den Ball zu und er verschwand.
Natürlich bolzte er im eigenen Garten weiter. Es kam wie es kommen musste. Der Ball flog herüber und Franz kam auch. Er stand auf der Kante unserer Garage und rief: „Kann ich den Ball wiederhaben?“ –„Ja“, sagte ich und blieb sitzen.
Stereotyp wiederholte er seine Frage dreimal. Ich antwortete stets mit „Ja“, machte aber weiter keine Anstalten. Nun geriet er in Verlegenheit. Runterspringen aus drei Meter Höhe in unseren Garten traute er sich nicht. Eine Leiter war nicht in der Nähe. Schellen an der Haustür war zwecklos. Er stand da und überlegte. Ich blieb weiter mit den Füßen in der Wanne und beachtete ihn nicht. Irgendwann kam er sich wohl dumm vor. Franz verschwand.
Nichts tat sich mehr; es herrschte Sonntagsruhe.
Den Ball warf ich Tage später rüber.
Franz verstand die Lektion.
Einige Zeit später grüßte er sogar – manchmal -!



Donnerstag, 5. November 2015
Frisch und lecker
Von Rita Dietrich

Von Ferne hörte ich einen Marktschreier, konnte aber nicht verstehen, was er rief. Ich bewunderte das alte Städtchen Lintorf, das sich seinen dörflichen Charakter so liebevoll bewahrte. Bauernhäuser im Fachwerkstil, Wirtshäuser aus den 50er Jahren, Innenhöfe eigenwillig geschmückt. Hier könnte ich leben, dachte ich.
Wir überquerten die Holzbrücke über ein munteres Flüsschen, schlenderten an der Kirche vorbei, hielten an einem Wildgehege und gelangten auf den Vorplatz eines großen Bauernhofes. Hier standen viele Trödler mit ihren Angeboten. Es gab Bücher, Gläser, Spiel-sachen, Fahrräder, Klamotten, alles war zulässig. Den Marktschreier hörte ich immer noch. Unser Weg führte durch ein kleines Wäldchen, sehr romantisch, und auf einer Lichtung sah ich ihn. Ich wusste nun, was mir an seinem Rufen aufgefallen war. Er sprach niederrheinischen Dialekt und sah aus wie ein Holländer. Seine Haare waren hellblond und sein Gesicht wettergegerbt, wie es oft Menschen haben, die draußen arbeiten.
„Hier seid ihr willkommen, die Pilzsaison ist eröffnet“, rief er laut. Er saß an einem kleinen Tisch mit einigen Altertümchen, umgeben von unzähligen Kästchen voller weißer Champignons. „Die habe ich heute in der Frühe geerntet, ganz frisch und lecker.“ Und er gab uns sein Rezept preis. Die Leute blieben standen und staunten wegen der Vielzahl der Kartons mit verführerischem Inhalt. Der Niederrheiner rief: „Hier können Sie ihre Familie dezimieren.“
Eine Frau entgegnete: „Aber ich habe doch nur so eine kleine Familie.“
„Ja“, sagte er, „ich mittlerweile auch“. Und er grinste.
Ich lachte; ich fand ihn köstlich. Wir kauften Pilze, wie viele andere Leute auch.
Und: Hurra, wir leben noch!!



Donnerstag, 8. Oktober 2015
Alle wollen älter werden, doch keiner alt
Von Rita Dietrich

Sind wir schon alt ? Nein, sind wir nicht !
Patina ha’m wir im Gesicht.
Es reißt schon manchmal in Gelenken,
das kann uns keine Freude schenken.

Die Augen wollen nicht mehr recht,
und Hören geht ein bisschen schlecht.
Die Haare werden immer dünner,
das sieht man nur bei Licht im Zimmer.

Nicht mehr so flott ist unser Gang.
Früher tänzelten wir stundenlang
auf Stöckeln durch die Altestadt.
Nein, Hühneraugen ha’m wir satt.

Die Zähne fallen langsam aus,
und auch der Giftzahn musste raus.
Der Rücken schmerzt, der dicke Zeh,
ein Fersensporn tut höllisch weh.

Die Jugendzeit ist überschritten,
da hilft kein Flehen und kein Bitten.
Auch der Zenit ist lang’ passé,
na und? Bald tut kein Zahn mehr weh.

„Schreibzeiten“ ist jetzt unser Name.
Fast jede von uns ist ’ne Dame.
„Blitzmädels“ muss ich Euch oft nennen,
und dankbar bin ich, Euch zu kennen.

Ich denk’, wir alle sind recht frisch,
und sitzen wir an diesem Tisch
mit Erny, sind wir wirklich froh,
so fit zu sein – nur weiter so !



Mittwoch, 12. August 2015
Ob ich in München Spaß haben werde?
Von Rita Dietrich

Wir flogen im Schneetreiben los. Drei Tage lang die Stadt unsicher zu machen, macht bei 10 Grad minus besonderen Spaß. Im Hotel packten wir sofort unsere Heizkissen aus. Manfred hatte keine Ersatzschuhe mitgenommen, „vollkommen überflüssig“, war sein Kommentar. Bei Eisregen rannten wir über den Viktualienmarkt. Um uns aufzuwärmen, betraten wir ein Bekleidungsgeschäft, und ich sah mir ganz in Ruhe die Waren an. Auf einmal machte Manfred mich auf so komischen Dreck auf dem Boden aufmerksam, den er dann mit dem Fuß wegschob. „Die müssen hier mal sauber machen“, meinte er. Er setzte sich wartend in die Leseecke, sah sich um und entdeckte auch hier diesen merkwürdigen Dreck. „Die haben bestimmt noch nicht gekehrt. Was ist das hier überall? Komm, wir gehen, hier gefällt es mir nicht.“ Beim Hinausgehen entdeckten wir vor der Ladentür den gleichen seltsamen Schmutz.

Das Schneetreiben ließ nicht nach. Mit Riesenschritten eilten wir davon. „Wenn besseres Wetter wäre, hätte ich nicht so kalte Füße“, maulte Manfred. Er blieb zurück und tanzte vor Aufregung, als er seine „Hinterlassenschaft“ sah. „Schau Dir mal das Zeug an, was hinter uns liegt, das sieht genau so aus wie das in dem Laden“. Auf einmal stellte er fest, dass er auf
Socken lief. Die Sohlen seiner Schuhe fehlten. Ursprünglich waren es dicke Kreppsohlen gewesen. Die Reste lagen jetzt verteilt auf dem Markt, im Geschäft und überall da, wo wir rumgetrampelt waren.

Ich lachte Tränen, umso entsetzter war Manfred. Er wollte diese Situation gar nicht glauben. Seine Reaktion riss mich zu noch mehr Lachanfällen hin. Manfred humpelte auf das nächste Schuhgeschäft zu – natürlich geschlossen wegen Mittagspause. Das nächste war wegen Renovierung geschlossen. Im dritten referierte Manfred empört über die schlechte Qualität deutscher Schuhe. Dass seine Treter über 10 Jahre alt waren, ließ er weg. Ausgerechnet diese Schuhe hatte er mitgenommen, weil sie bequem und seit Jahren nicht mehr benutzt worden waren.

Zuhause erzählten wir diese Geschichte unter Lachen einem Bekannten. Sein Kommentar in Richtung Manfred: „Wie blöd bist Du eigentlich? Ich kaufe meine Schuhe in Oxford!!“

Peng! Das saß! Diesen Satz mussten wir inhalieren.

Später erfuhren wir von einem Fachmann, dass der Weichmacher im Laufe von 10 Jahren aus den Sohlen entwichen war.