Resonanz
Da ist ein Bild. Ein Bild mit einem Soldaten mit Nachtsichtgerät. Ich betrachte es und antworte mit einem Text:
Ich suche den Feind. Mit meinem Nachtsichtgerät suche ich den Feind, denn er schleicht sich an, sobald es dunkelt. Er kann von überall kommen, sich tiefe Gräben graben, bis in meine Träume. Ich versuche, ihn in Schach zu halten. Ich habe ein Gewehr, aber das dient mir nicht. Wo sollte ich hin schießen? Mitten ins Schwarze? Der Feind kennt Schleichwege mit guter Deckung. Da treffe ich ihn nicht.
Ich treffe ihn in meinem Kopf, plötzlich ist er da, springt mich an aus einer dunklen Ecke, krallt sich fest, will mich haben. Mein Gewehr nützt da nichts.
Ich lege Gewehr und Nachtsichtgerät zur Seite und fasse ihn, befühle ihn, schmecke ihn, rieche ihn. "Du wirst mich schon noch kennenlernen", flüstert er mir zu und ich halte ihn im Arm und höre seine Geschichte.
Ich höre seine Geschichte, die auch meine ist. Und als er fertig ist, legt er seinen kleinen Kopf in meinen Schoß. Ich halte seine kleine Hand und küsse seine kleine Stirn. Nun liegt er da und ich passe auf, das er nicht fällt, nicht ins Bodenlose fällt und fällt und vergessen wird.
Erny Hildebrand
erny hildebrand am 04. August 19
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Schreiben in der Frauenberatungsstelle
In der Frauenberatungsstelle sind wir sehr nett und mit vielen Informationen empfangen worden. Im Anschluss entstanden berührende Texte, von denen einige hier in der Rubrik "Schreiben an ungewöhnlichen Orten" zu lesen sind.
erny hildebrand am 04. August 19
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Die Emanzipation der Frau
Sie nimmt die Bildung
Sie nimmt das Vertrauen
Sie nimmt die Ideen
Sie nimmt den Erfolg.
Sie nimmt das Kämpfen
Sie nimmt die Angst
Sie nimmt die Freiheit
Sie nimmt den Stolz.
Sie nimmt das Geld
Sie nimmt den Schmerz
Sie nimmt den Frieden
Sie nimmt das Glück
Und doch ist sie nicht gleichwertig.
anna baerlin am 31. Juli 19
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Die Zähmung der Frau
Er nahm die Wildheit
Er nahm den Wohlstand
Er nahm die Bildung
Er nahm den Stolz.
Er nahm das Umfeld
Er nahm die Entscheidung
Er nahm das Vertrauen
Er nahm das Ich.
Er nahm die Sicherheit
Er nahm die Neugier
Er nahm die Freiheit
Er nahm die Kraft.
Und doch war er nicht stärker.
anna baerlin am 30. Juli 19
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Besuchssonntage
Die größte Freude ist bekanntlich die Vorfreude. Das kleine Köfferchen mit Schmutzwäsche als Gepäck und ab in die Freiheit. Die Klostermauern von Samstag bis Sonntagabend zu verlassen fühlte sich an wie ein Aufbruch in eine neue, schönere Welt. Nur die Stimmung vor einem Urlaub konnte dieses erhebende. euphorische Abheben beim Gang zur Bahn noch übertreffen.
Immer und immer wieder während der langen drei Jahre kam dieses Gefühl auf. Die Erwartung, freudig erwartet und empfangen zu werden war allerdings täuschend. Hin und wieder verlief das Wochenende gut. Dann wieder kehrte ich zurück mit umgeänderten Röcken und abgetragenen Pullovern. Dafür schämte ich mich in Grund und Boden. Einmal holte mich der damalige Freund meiner Mutter ab und brachte mich als "Überraschung" nach Hause in den 2. Stock. Der erste Satz meiner Mutter beim Öffnen der Tür war: "Was willst du denn hier?" Egon fing damals die schlechte Stimmung auf, aber diese Frage blieb stellvertretend für mein Dasein als Tochter. Vergnügungen hießen zuhause 'nicht kochen müssen', 'ausgeführt werden' ohne Kind und bewundernde Blicke zu erheischen, doch nicht als 'Mama'.
Das kühle Gemäuer, die langen Gänge im Kloster und das Silentium rufen dennoch immer eine friedliche, Stille stiftende Ruhe in mir wach; dies auch noch lange nach der Internatszeit. Die Andachten und das Exerzieren kirchlicher Rituale halfen und helfen über das häusliche Halligalli hinweg. Ich besuche noch immer gerne Kirchen.
mari8 am 11. Juni 19
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Miss Trauen
In England ist ein Fräulein, das es bei uns ja gar nicht mehr gibt, immer noch eine Miss. Bedeutet Misstrauen dann eigentlich Fräuleintrauen? Oder, weil ein Fräulein hier ja wegen der Emanzipation auch eine normale Frau ist, in Frautrauen? Emanzipiert englisch hieße es dann konsequenterweise Mrstrauen.
Frau Trauen ist mir übrigens gut bekannt. Sie wohnt im dritten Stock rechts, gleich neben Herrn Kunft. Zusammen würden sie ein gutes Paar abgeben. Ich lade sie mal gemeinsam zum Tee ein.
Erny Hildebrand
erny hildebrand am 04. Juni 19
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Lesungen 2019
stellt neue Texte vor.
18.September 19, 18-20.30
im Bürgerhaus Bilk
Salzmannbau Düsseldorf
Himmelgeister Str. 104 H
Eintritt frei
Lesungen 2019
Buchmesse vom Westdeutschen Autorenverband
28.4.19, 16.00
im Salzmannbau, Himmelgeister Str. 107, Düsseldorf
Erzählcafe´ im Kultur- und Stadthistorischem Museum
19.5.19, 15.00
Johannes-Corputius-Platz 1, Duisburg
Heuhaufen versteigert
Stroh zu Gold spinnen, war einmal. Heutzutage ist es praktischer, Heu zu Geld zu machen. Letzte Woche wurde ein einziger Heuhaufen für 100 Millionen verkauft. Ein einziger! Man muss das mal hochrechnen auf eine ganze Wiese. Leute, lasst das Gras wachsen, egal, ob ihr es hört oder nicht.
Waaas? Der Heuhaufen war gar nicht mal echt? Nur gemalt? Das wird ja immer schöner. Her mit den Farben!
Erny Hildebrand
Ich wär so gerne weise
Ich wär so gerne weise, gelassen und entspannt.
Doch leider liegt das allzu oft nicht in meiner Hand.
Manchmal bin ich weise, dann fühle ich wie du.
Ich nehme dich in meinen Arm und der Kummer vergeht im Nu.
Früher war ich nicht weise, machte alles nur mit mir aus.
Doch heute bin ich schlauer und tausche mich mit anderen aus.
Oft, da bin ich weise, bin dankbar für alles, was ich hab.
Zufriedenheit und Glück sind dann, was in meinem Herzen labt.
Mit dir werde ich weise, du zeigst mir neue Wege auf.
Nun gehe ich da lang und nehm ein stolpern in Kauf.
Ich wär so gerne weise, doch ich komm mir nicht so vor.
Egal, ich nehm mich, wie ich bin, und geh durchs nächste Tor.
anna baerlin am 22. April 19
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Männer!
Mordillo (https://cdn03.plentymarkets.com/cfugbtln6xm7/item/images/98823/middle/0103-7350210.jpg)
Gestern war ich mit meiner Männerriege bei mir zu Hause. Wir wollten zum letzten Mal unsere Männerpyramide trainieren, bevor wir sie am Sonntag beim Wettbewerb der hiesigen Turnvereine vorführen würden. Zum Aufwärmen tranken wir ein bisschen Bier. Dann sollte es losgehen mit dem Training. Aber Oskar, unser Untermann, war nicht im Wohnzimmer. „Oskar!“: schrien wir durch die Wohnung. „Oskar, komm, wir brauchen dich!“ Kein Oskar ließ sich blicken. „Oskar, beeil dich, wir wollen anfangen!“ Nichts rührte sich. Wir schauten uns befremdet an. Plötzlich schlug sich Theobald vor die Stirn. „Oh nein! Oskar liegt doch mit Grippe im Bett, er hatte mich doch noch kurz vor unserem Treffen angerufen!“
Da war guter Rat teuer, denn ohne Oskar ging nichts. Einige von uns fielen lautstark über Theo her, andere wollten ihre Verzweiflung im Bier ertränken. In dieses Chaos ertönte der Ruf meiner Frau aus der Küche: „Wann seid ihr fertig? Soll ich schon das Essen auf den Herd stellen?“
In dem Augenblick durchzuckte mich eine Erleuchtung. Meine Frau! Das war die Lösung! Sie stemmte so vieles, da wird sie uns doch auch noch stemmen können! Ich winkte meinen Leuten und wir düsten in die Küche. „Emma, wir bauen unsere Pyramide bei dir in der Küche auf. Emma, du musst uns eben mal helfen! Du brauchst uns nur mal kurz zu stemmen. Das bisschen Haushalt kannst du ja nebenbei machen.“
Meine Frau streckte wortlos ihren rechten Arm aus und wir elf Mann kletterten an ihr hoch und bildeten unsere Formationen. Es klappte vorzüglich, bis mein Kleiner, der in der Küche im Kinderwagen lag, anfing zu schreien. Es war nicht zum Aushalten! Meine drei oberen Mannen begannen zu schwanken. „Emma, sorge sofort dafür, dass der Kleine still ist!“ schrie ich wütend meiner Frau zu. Ohne ein Wort hob sie, weiter bügelnd, ihr rechtes Bein und schaukelte damit den Kinderwagen. Mein Kleiner beruhigte sich. Nun schaffte ich es, auf die Spitze der Pyramide zu klettern. Dort entrollte ich die rote Fahne mit dem weißen Herz. Ich winkte meiner Frau zu und stimmte unser Lied an: „Wir Männer sind die besten und stärksten Wesen auf der ganzen Welt!“ Wir sangen aus vollster Kehle und mit tiefster Inbrunst.
Meine Frau fing an zu zittern. Wir kamen ins Schwanken. Theobald, der als erster zu Boden fiel, rief fassungslos: „Ich glaube, deine Frau lacht!“
Christa Anderski
Auf der Kö in Düsseldorf
Ein Vetter von mir kam erst 1949 im November aus russischer Kriegsgefangenschaft zurück.
In seine Heimat Ostpreußen konnte er nicht mehr, so kam er nach Düsseldorf. Wir waren für viele Verwandte ein fester Punkt nach dem Krieg. Georg bekam sehr schnell eine Arbeit beim statistischen Landesamt. Im Anschluss bekam er eine Anstellung bei der Eisenbahnversicherungskasse. Georg besaß schon Mitte der 50iger Jahre einen viertürigen Mercedes.
Einmal waren wir zusammen mit noch einem anderen Ehepaar in der Altstadt gewesen, wir feierten fröhlich und tranken auch einiges. Mein Mann fuhr das Auto. Statt am Ende nach Hause zu fahren, sagte Georg: „Wir fahren jetzt noch zur Kö-West. Da kenn ich eine frühere Kollegin, die gehen wir jetzt ärgern.“
An der Kö-West standen die sogenannten Bordsteinschwalben in Grüppchen. Georg ließ anhalten, drehte eine Scheibe herunter und rief: „Alle herkommen und Geld abliefern!“
Dann platzierte er eine Frau neben sich auf den Beifahrersitz neben sich. Zwei Prostituierte auf den Schoß des anderen Ehemannes. Wir saßen zu sechst auf der Rückbank. Wir fuhren eine ganze Weile die Kö rauf und runter, immer im Karree. Die Fenster im Auto waren inzwischen alle offen. Die Prostituierten im Wagen beschimpften ihre Kolleginnen, die dort standen, auf das Übelste, wie sie es oft von den Männern ertragen mussten. Wenn ich die Bordsteinschwalben woanders gesehen hätte, wäre mir nicht aufgefallen, welchen Beruf sie gehabt hätten. Sie redeten von den intimsten Sachen ihres Geschäftes, als ob es sich um z.B. Apfelsinenhandel drehte. Wir haben so gelacht, dass uns die Gesichtsmuskeln weh taten. Für deren Geschäft war es noch zu früh. Da stand eine elegant gekleidete Dame in hellblauem Kostüm mit einer hellblonden Hochsteckfrisur. Eine Frau aus unserem Auto rief: „ Die hat alle unsere Freier mit Tripper angesteckt.“ Die Brünette neben Georg erzählte, sie habe ein Kind geboren und habe noch Wochenfluss. Jetzt könne sie nur „französisch“. Eine sehr junge Frau von der Rückbank wiederholte dauernd, sie gäbe eine Flasche Sekt aus, wenn sie Georg mal vernaschen könnte.
Das Ganze war so irre für mich!
Ingrid Basile