Mittwoch, 25. März 2020
Der Delphin
Stelle Dir vor, du würdest an einem wunderschönen weißen Strand spazierengehen.
Über Dir scheint die Sonne.
Das Meer rauscht, es riecht nach Salz.

Spüre den warmen Sand unter deinen Füßen.
Hörst Du die Brandung ans Ufer rollen?
Du läufst gemütlich weiter. In dir breitet sich Ruhe aus.

Tief atmest Du die Meeresbrise ein.
Wäre es nicht herrlich, mit einem Delphin zu schwimmen?

Sehnsüchtig, erwartungsvoll schaust du auf das weite Wasser hinaus und tatsächlich - am Horizont erkennst Du etwas.

Soll es wirklich wahr sein?

Du kannst es kaum erwarten, endlich zu erkennen, was es ist. Und ja: wahrhaftig, es ist ein Delphin.
Er kommt direkt auf dich zu.
Seine Haut glitzert in der Sonne, als wäre sie aus Diamanten.

Du gehst ins Wasser, bewegst dich langsam auf ihn zu.
Er schmiegt sich an dich, du streichelst ihn sanft.
Spürst du seine weiche Haut unter deinen Fingern?

Er lädt dich ein, mit ihm zu schwimmen.
Du hälst dich an seiner Flosse fest - los gehts!
Spüre, das warme Wasser, das über deinen Körper gleitet.
Immer wieder tauchst du ein ins herrliche Nass.
Der Delphin passt auf Dich auf.
Du genießt seine Nähe, seine Wärme.
Er zeigt Dir seine Welt.

Es ist als glitzerten tausend Sterne auf der Wasseroberfläche.
Eine Schildkröte gesellt sich zu euch.
Sanft berührt sie dich am Arm, als wolle sie sagen: „Es ist alles gut. Hier bist du sicher“.
Sie begleitet euch. Mal schwimmt sie unter euch hindurch, mal neben euch. Dann ist sie vor euch.

Es fühlt sich so gut an. Frei. Als wärst du angekommen.
Du nimmst diesen Augenblick tief in dir auf.
Du fühlst dich geborgen und beschützt.
Die Schildkröte ist nun wieder neben dir - sie hält etwas in ihrem Maul.

Sie legt dir eine wunderschöne, perlmuttfarbene Muschel in die Hand.
Du hast das Gefühl, als würde sie lächeln.
Fest drückst du die Muschel an dein Herz, und durch deinen Körper strömt ein Gefühl des Glücks und der Leichtigkeit.
Diesen Moment kann dir keiner nehmen!

Der Delphin stupst dich vorsichtig und sanft in die Seite.
Er möchte das du dich auf seinen Rücken schwingst.
Von hier aus kannst du weit über das Meer schauen.
Es ist herrlich.
Tief atmest Du den salzigen, wohltuenden Geruch ein.

Langsam bewegt sich der Delphin zurück an den Strand.
Er trägt dich soweit ans Ufer, wie es geht.
Vorsichtig steigst Du von seinem Rücken.
Ein letztes Mal streichelst du ihn; zum Abschied schmiegt er sich an deine Hand.
Winke ihm noch einmal zu, während er am Horizont kleiner wird.
Und doch spürst du ihn immer noch an deiner Seite.

Verträumt - etwas fällt dir aus der Hand - die Muschel!
Du hebst sie auf, schaust sie dir liebevoll an.
Es steht etwas darauf geschrieben.
Mit dem Daumen wischst du den Sand fort und liest:
„Stärke – Mut - Liebe“

Nicole Baltes



Dienstag, 17. März 2020
Naturbilder
Im Frühling bevölkern den Wald in meiner näheren Umgebung viele bodenblühende Pflanzen wie die weißen Anemonen, die ganze Teppiche bilden. Danach das erste junge Laub an den Buchen, durch das die Sonne leuchtet, dagegen erscheinen die Baumstämme schwarz. Wenn das Laub ausgewachsen ist, immer dichter und dunkler wird, kann es außerhalb des Waldes noch so heiß sein, drinnen bleibt es angenehm kühl. Dann fällt mir immer ein Lied ein, das ich als Kind gesungen habe: "O, du schöner, grüner Wald, du meiner Lust und Wehen andächt´ger Aufenthalt."
Im Herbst die bunten Blätter, durch die wieder die Sonne leuchtet, zwischen den schwarz scheinenden Stämmen. Die schrägen Sonnenstrahlen, die durch den aufsteigenden Nebel leuchten. Die vielen verschiedenen Grüntöne der Felder im Laufe der Jahreszeiten. Dann die Tigerteppiche des gefallenen Laubes auf Wegen und Waldboden, die so schön rascheln, wenn man darüber geht.
Die wunderschönen Blautöne, die von Gewässern reflektiert werden. Stahlblau, kobaltblau, hellblau bis türkis. Die goldenen bis silbernen Wellen auf Flüssen, Seen und Teichen.
Einmal bin ich am Abend von Kaiserswerth rheinabwärts geradelt. Da erschien das Flusswasser türkis und die Wellen silbern. Später habe ich eine Aquarellausstellung gesehen. Da gab es Bilder genau in diesen Farben. Wenn ich es nicht vorher selbst erlebt hätte, hätte ich gedacht, dem Maler wäre die Phantasie durchgegangen.

Ingrid Basile



Mittwoch, 4. März 2020
Wie möchte ich sein?
Regenwolken in die Wüste schieben, laut um Ecken pfeifen, leicht beschwingt mich fortbewegen. Ach, das wäre schön!
Niemand könnte mir befehlen, kann tun und lassen, was ich will.
Bin ich wütend, so kann ich toben; bin ich lustig, schlag ich Purzelbäume; bin ich friedlich, so streichele ich Mensch und Tier. Ach, das wäre wunderbar!
Mächtig bin ich, kann Häuser einreißen, das Meer aufpeitschen, mächtige Dinge in den Himmel schleudern. Sanft bin ich, wenn Gräser sich leise wiegen und Vögel durch die Lüfte gleiten.
Ach, könnt ich mich doch in Wind verwandeln!

Christa Anderski



Montag, 24. Februar 2020
Was möchte ich mal sein?
Es stellt sich mir die Frage: Will ich etwas anderes sein oder werden, als ich bin?
Gerade bin ich so zufrieden mit mir. Alles ist gut so wie es ist.
Meine Zeit kann ich mir einteilen, ich mache Dinge, die mir Freude bereiten, gehe zum Sport, zum Malen und zum Schreiben. Ich muss weder die Olympiade gewinnen, noch einen Preis für meine Kunst und schon gar nicht einen Literaturpreis. Ich führe ein wunderbares Rentnerinnen Dasein, ohne mich zu langweilen. Ich muss nicht mehr arbeiten, aber manchmal darf ich eine Praxisvertretung übernehmen, was ich sehr gerne tue. Meinen Beruf als Zahnärztin habe ich geliebt.
Ich könnte mich fragen, war das schon alles, welche Ziele und Sehnsüchte habe ich noch?
Vor ein paar Jahren hatte ich noch viele Reisepläne. Nach Südamerika, Indien, China, zum Kilimandscharo und vieles mehr. Jetzt ist mir das nicht mehr so wichtig. Immer noch verreise ich gerne, aber das Abhaken von Sehenswürdigkeiten widerstrebt mir.
Ich sehne mich zurück nach den Urlauben meiner Kindheit, ein Jahr ging es an die See, ein Jahr in die Berge. Jeweils in einfache Pensionen, dafür aber drei Wochen lang. Wie schön war es am Meer in die Brandung zu springen, den Wellen zuzuschauen, Muscheln zu sammeln und Wind und Wetter auf der Haut zu spüren. Oder die Fahrt mit dem Nachtzug in die Berge, wenn ich morgens die schroffen Berggipfel am Abteilfenster vorbeiziehen sah. Die frisch hergestellte Buttermilch auf den Almen zu kosten, an denen wir bei unseren Wanderungen vorbeikamen.
So wie ich damals Urlaubsgenießerin war, möchte ich jetzt Lebensgenießerin sein.
Dazu gehört, das was jetzt da ist, wert zu schätzen.
Obwohl ich vielleicht in meiner Erinnerung die Vergangenheit verkläre, ist mir bewusst, dass mein Leben gerade in einer guten Phase ist. Hier möchte ich sein im Hier und Jetzt.
Was möchte ich mal sein?
Lebensgenießerin wie jetzt.



Sonntag, 23. Februar 2020
Was möchte ich mal sein?
' Ich wär' so gerne Millionär', heißt es in einem Lied von Udo Jürgens. Wollte ich gern Millionär sein, oder gibt es etwas, das viel erstrebenswerter ist, viel aufregender, viel anregender und außergewöhnlicher? Wie wär's denn mit Astronautin?
Ja, auch für Frauen steht das Weltall offen! Tatsächlich gibt es eine Reihe junger Frauen, die sich für einen Flug mit der ISS bewerben, hart trainieren und voller Ehrgeiz ihre wissenschaftliche Karriere in diesem Raumschiff vorantreiben wollen.
Nun, ich würde keins der Kriterien erfüllen, um überhaupt in die Auswahlliste aufgenommen zu werden. Sei's drum! Aber man kann ja auch von so einer Weltall-Reise träumen. Hätte ich viele Millionen, könnte ich mich sogar für eine vom Tesla-Chef organisierte Luxus-Reise anmelden: einfach buchen, zahlen und dann ab zur Raketenstation Cape Canaveral! Die gigantischen Raketen aus der frühen Raumfahrt und die kleine Mondlandefähre habe ich vor Ort schon gesehen und war sehr beeindruckt. Solch ein Reisemobil ist doch 'ne ganz andere Nummer als jedes Flugzeug oder Kreuzschiff!
Was mich für so eine Reise begeistert? Na klar, der Blick auf unseren Planeten! Der ist so einzigartig, so atemberaubend, selbst auf einem Fernsehschirm, dass ich beim realen Anblick sicher keine Worte finden würde, um ihn zu beschreiben.
Dann das Gefühl der Schwerelosigkeit- einfach großartig! Einmal nicht sein Körpergewicht zu spüren, frei im Raum zu schweben, Purzelbäume zu schlagen und ähnliche Kapriolen- und das mühelos, in meinem Alter , welch ein Vergnügen! Das würde sogar meine Enkel beeindrucken.
Und zuletzt begeistert mich der Blick in die Weite des Alls, zur Milchstraße. Leider sieht man in unserer Gegend nur sehr wenige Sterne und Planeten. Andernorts, wo weniger Lichtverschmutzung herrscht, ist der nächtliche Himmel so faszinierend, dass ich ihn stundenlang anschauen möchte. Dabei entsteht ein starkes Gefühl, das es nur dort gibt: wie winzig und unbedeutend ich, wir Menschen sind im Großen Ganzen.
Der Countdown läuft....



Mittwoch, 13. November 2019
Ein Buch zum Spielen
Sprachlich zieht sich das Spiel durch das ganze Leben. Wir spielen unterschiedliche Rollen, die wir mehr oder weniger ausgestalten, sind Kind, Mutter, Vater, Chefin oder Angestellter, Gewinner oder Verlierer. Wir spielen sogar mit unserem Leben und das Lied vom Tod.

Spielen hat in unserer Gesellschaft und in unserer Zeit viele Betonungen, viele davon zielen darauf ab, eine Trennlinie zwischen Spiel und Ernst zu ziehen. Wenn der Ernst des Lebens beginnt, wann auch immer das sein mag, ist die Spielzeit vorbei. Aber ist das wirklich so? Das Spiel ist das einfachste und zugleich kreativste Werkzeug, das wir haben. Im Spiel, vor allem im freien Rollen- und Phantasiespiel ist alles möglich, kann Neues probiert werden. Friedrich Schiller vermerkte in seinen Überlegungen zur ästhetischen Erziehung: „Der Mensch ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.“

Die Biografiegruppe „Schreibzeiten“ hat das Thema „Spielen“ erst zögerlich, dann mehr und mehr interessiert und schließlich gefesselt aufgenommen. Wir sind um das Thema herumgeschlichen, haben es gepackt, geknetet, hin und her gewälzt. Wir haben uns erinnert, anderes erdacht, einiges verworfen und vieles bestaunt.

So umfasst diese Anthologie
• Biografische Texte
• Kurzgeschichten
• Fachbeiträge sowie
• Anregungen für Schreibspiele

Damit ist das Buch eine Einladung, die eigene spielerische Seite wieder öfter oder auch mal ganz anders zu betrachten und zu leben.



Schreiben im Haus des Karnevals
Das Haus des Karnevals ist aus verschiedenen Gründen ein ungewöhnlicher Ort. Nicht nur, weil man sich dort mit der fünften Jahreszeit beschäftigt, sondern auch, weil es dort ungewöhnliches zu sehen gibt. Und nicht zuletzt, weil der Karneval eine ungewöhnliche und spannende Geschichte hat - die bieten allemal Anregungen zum Schreiben.



Montag, 21. Oktober 2019
Lesung
Geschichten gegen das Novembergrau
29. November 2019, 15.00
Patientenbücherei Diakonie Kaiserswerth
Kreuzbergstraße 79, Düsseldorf-Kaiserswerth



Sonntag, 4. August 2019
Resonanz
Da ist ein Bild. Ein Bild mit einem Soldaten mit Nachtsichtgerät. Ich betrachte es und antworte mit einem Text:

Ich suche den Feind. Mit meinem Nachtsichtgerät suche ich den Feind, denn er schleicht sich an, sobald es dunkelt. Er kann von überall kommen, sich tiefe Gräben graben, bis in meine Träume. Ich versuche, ihn in Schach zu halten. Ich habe ein Gewehr, aber das dient mir nicht. Wo sollte ich hin schießen? Mitten ins Schwarze? Der Feind kennt Schleichwege mit guter Deckung. Da treffe ich ihn nicht.

Ich treffe ihn in meinem Kopf, plötzlich ist er da, springt mich an aus einer dunklen Ecke, krallt sich fest, will mich haben. Mein Gewehr nützt da nichts.

Ich lege Gewehr und Nachtsichtgerät zur Seite und fasse ihn, befühle ihn, schmecke ihn, rieche ihn. "Du wirst mich schon noch kennenlernen", flüstert er mir zu und ich halte ihn im Arm und höre seine Geschichte.

Ich höre seine Geschichte, die auch meine ist. Und als er fertig ist, legt er seinen kleinen Kopf in meinen Schoß. Ich halte seine kleine Hand und küsse seine kleine Stirn. Nun liegt er da und ich passe auf, das er nicht fällt, nicht ins Bodenlose fällt und fällt und vergessen wird.

Erny Hildebrand



Schreiben in der Frauenberatungsstelle
In der Frauenberatungsstelle sind wir sehr nett und mit vielen Informationen empfangen worden. Im Anschluss entstanden berührende Texte, von denen einige hier in der Rubrik "Schreiben an ungewöhnlichen Orten" zu lesen sind.



Mittwoch, 31. Juli 2019
Die Emanzipation der Frau
Sie nimmt die Bildung
Sie nimmt das Vertrauen
Sie nimmt die Ideen
Sie nimmt den Erfolg.

Sie nimmt das Kämpfen
Sie nimmt die Angst
Sie nimmt die Freiheit
Sie nimmt den Stolz.

Sie nimmt das Geld
Sie nimmt den Schmerz
Sie nimmt den Frieden
Sie nimmt das Glück

Und doch ist sie nicht gleichwertig.



Die Zähmung der Frau
Er nahm die Wildheit
Er nahm den Wohlstand
Er nahm die Bildung
Er nahm den Stolz.

Er nahm das Umfeld
Er nahm die Entscheidung
Er nahm das Vertrauen
Er nahm das Ich.

Er nahm die Sicherheit
Er nahm die Neugier
Er nahm die Freiheit
Er nahm die Kraft.

Und doch war er nicht stärker.



Dienstag, 11. Juni 2019
Besuchssonntage
Die größte Freude ist bekanntlich die Vorfreude. Das kleine Köfferchen mit Schmutzwäsche als Gepäck und ab in die Freiheit. Die Klostermauern von Samstag bis Sonntagabend zu verlassen fühlte sich an wie ein Aufbruch in eine neue, schönere Welt. Nur die Stimmung vor einem Urlaub konnte dieses erhebende. euphorische Abheben beim Gang zur Bahn noch übertreffen.

Immer und immer wieder während der langen drei Jahre kam dieses Gefühl auf. Die Erwartung, freudig erwartet und empfangen zu werden war allerdings täuschend. Hin und wieder verlief das Wochenende gut. Dann wieder kehrte ich zurück mit umgeänderten Röcken und abgetragenen Pullovern. Dafür schämte ich mich in Grund und Boden. Einmal holte mich der damalige Freund meiner Mutter ab und brachte mich als "Überraschung" nach Hause in den 2. Stock. Der erste Satz meiner Mutter beim Öffnen der Tür war: "Was willst du denn hier?" Egon fing damals die schlechte Stimmung auf, aber diese Frage blieb stellvertretend für mein Dasein als Tochter. Vergnügungen hießen zuhause 'nicht kochen müssen', 'ausgeführt werden' ohne Kind und bewundernde Blicke zu erheischen, doch nicht als 'Mama'.

Das kühle Gemäuer, die langen Gänge im Kloster und das Silentium rufen dennoch immer eine friedliche, Stille stiftende Ruhe in mir wach; dies auch noch lange nach der Internatszeit. Die Andachten und das Exerzieren kirchlicher Rituale halfen und helfen über das häusliche Halligalli hinweg. Ich besuche noch immer gerne Kirchen.